Vergleich ST 1100 VS CRF 1100 Africa Twin

  • Hallo,


    ich wollte mal einen Vergleich zwischen der ST 1100 Pan European von 1996 und der CRF 1100 Africa Twin Adventure Sport von 2020 mit Schaltgetriebe und elektronischem Fahrwerk anstellen. Also so eine Art Testbericht vom Paner. Zwischen den Fahrzeugen liegen rund 30 Jahre Entwicklung.


    Hintergrund ist der, das meine Pan in die Jahre gekommen ist und ich einen neuen Tourer suchte. Leider baut Honda keinen Pan Nachfolger mehr aktuell, so bin ich auf die Africa Twin gekommen. Aufgrund der Coronakrise wollte ich nichts irgendwo bestellen, sondern nur kaufen, was auch real im Laden steht. Die CRF 1100 ATAS habe ich bei meinem fHH im Laden gefunden, mit ele. Fahrwerk und als Schalter (Quickshifter) in schwarz, zusammen mit einem „Travel-Paket“: Alukoffer, TC, Tankrucksack. Darauf bin ich nun die ersten 300 km gefahren.


    Ergonomie:

    Entgegen der Sitzposition der Pan sitzt man auf der CRF deutlich höher (850mm Serie). Der Kniewinkel ist weiter offen, also entspannter. Der Lenkstange wurde dichter an den Fahrer gesetzt, so das man die Arme locker hängen lassen kann und man kann aufrecht sitzen.

    Die Sitzbank der CRF ist härter, vielleicht war mein alter Sitz auf der Pan auch durchgesessen. Die Bank auf der CRF ist zweigeteilt. Stehend fahren geht erwartungsgemäß sehr gut.

    Der linke Lenkergriff wirkt überladen mit Schaltern. Jedoch braucht man beim fahren nur wenige Knöpfe, weshalb man sich doch zurecht findet. Der rechte Griff ist übersichtlicher gestaltet.

    Das Display ist zweigeteilt und riesig. Die Ablesbarkeit ist sehr gut. Mit Ihren ca 240 kg lässt sie sich auch noch in die Garage schieben.


    Wetterschutz:

    Das der Wetterschutz nicht besser als bei der Pan (mit großer MRA Scheibe) sein kann, war mir klar. Bei den ersten beiden Ausfahrten habe ich gefroren, bis ich lernte, einfach eine Schicht mehr anzuziehen. Der Windschutz ist schon gut auf der CRF, aber wenn man den Kopf nur wenig zur Seite steckt, pfeift einem der Wind um den Helm – was wiederum ein prima Scheibenwischer ist.

    Heute im Regen muß ich das aber wieder zurück nehmen: ich saß trockener auf der CRF als auf der Pan. Durch den breiten Lenker tropft der Regen von den Ellbogen auf die Straße, nicht wie bei der Pan auf die Hose. Die Schuhe blieben erstaunlich trocken und an die Hose kommt auch kaum Wasser. Das Windschild ist verstellbar. Dafür braucht man unverständlicherweise beide Hände gleichzeitig.IMG_20200503_092812klei.jpg


    Motor:

    Knöpfchen drücken und der Reihenzweizylinder brabbelt los. Ich befinde mich noch in der Einfahrphase und drehe nicht höher als 4000 U/min. Trotzdem entwickelt der Motor einen schönen Bums schon aus dem Keller. Ortsdurchfahrten sind im 5. möglich. Beim raus beschleunigen aus der Tempo 30 Zone im 6. schüttelt sie sich, das passt ihr nicht so. Der Sound ist relativ verhalten, solange man nicht am kräftig Kabel zieht. Recht angenehmes Braaaab braaaaaab beim Kabelziehen, keine Leistungslöcher, wirkt nicht schwach, will immer Leistung geben. Keine Vibrationen – oder sie sind so angenehm, das ich sie nicht kritisieren möchte. 6,1 L/ 100 km braucht sie. Da hätte ich was weniger erwartet.


    Getriebe:

    Das 6 Gang Getriebe (der 6. ist autobahntauglich lang übersetzt) schaltet butterweich und die Kupplung kann man auch mit einem Finger bedienen. Honda eben. Zumal man diese auch fast nur beim anfahren bzw anhalten braucht, Quickshifter sei dank. Immer will der nicht so, er braucht Drehzahl, also muß man auch schon mal zur Kupplung greifen. Aber deutlich seltener als bei der Pan.


    Fahrwerk:

    Also hier im Vogelsberg gibt es so Straßen, die sind in einem erbarmungswürdigem Zustand, Flicken an Flicken, Bitumenstreifen, loser Fahrbahnbelag bis stellenweise Schotter. Mit der Pan bin ich da so mit 70-80 drüber geholpert, alles knarzte und man hatte das Gefühl, dem Bock gefällt das garnicht. Die selbe Strecke mit der CRF ist was ganz anderes, völlig andere Welt. Man überholt entspannt mit 130 km/h. Man spürt, das noch Reserven da sind. Die CRF liegt einfach satt. Schon irre, was da geht. Zumal ich das Fahrwerk ja auch noch einzeln oder insgesamt nochmal weicher bzw härter stellen können sollte. Wenn man den dafür zuständigen Menüpunkt gefunden hat….

    Das Vorführmotorrad meines fHH habe ich auf Schotter gefahren. Wow. Was die Elektronik da hinlegt. Der Verführer lies sich spielerisch leicht führen. Drifts --> einfach Gas geben. Man kann nichts falsch machen – ausser man wird zu schnell. Das Mäusekino blinkt Disco aber die Elekronik regelt das schon. Sieht bestimmt spektakulär aus, ist aber nur Elektronik. Pures Dakarfeeling. Sollte man unbedingt mal probieren.


    Gepäck:

    die mitgelieferten Alukisten sehen von außen größer als, als sie innen wirklich sind. Aber so groß waren die Koffer an der Pan ja auch nicht. Zumindest sehen sie relativ stabil aus. Andererseits sind die mit Honda Schriftzug, und Honda holen sich doch keinen Schund ins Haus. Immerhin sind sie ziemlich quarderförmig und nicht zerklüftet. Koffer und TC haben oben drauf Halterungen für leichtes Zusatzgepäck, zB Schlafsack. Alle drei sind mit dem Fahrzeugschlüssel schließbar und haben eine Staubkappe. Der Tankrucksack macht einen erstaunlich wasserdichten Eindruck. Er wird mit Klipsen und Magnete gehalten. Er ist um die Hälfte kleiner als mein Alter an der Pan.


    Elekronik:

    Fast alles was es gibt, ist da verbaut. Spätestens hier merkt man die 30 Jahre Unterschied. Griffheizung, Telefon, Musik, verschiedene vorprogrammierte Fahrmodi, zwei selbst konfigurierbare Modi. Motorbremse, Drehmoment am HR, Wheelycontrol etc… Ein Navi ist wohl dabei, funktioniert aber nur mit Apple, oder ich habe es noch nicht gefunden. Allgemein muß ich mich hier noch einfuchsen, es ist umfangreich.

    Der Tempomat ist ein Traum. Auf 85 km/h gestellt und schön durch den Vogelsberg gedüst. Am Ortseingang schön brav runter auf 50. Am Ortsende im 5. einfach einmal den Tempomat angetippt und das Moped beschleunigt sanft los. Spannend in Kurven.

    Aber: die Elektronik lenkt auch ab. Man muß sich zusammenreissen. Wobei Honda auch einige Funktionen beim fahren blockiert.


    Allgemein:

    Ich hatte mir die Umgewöhnung leichter vorgestellt. Aber nach der heutigen Fahrt bin ich fast vollkommen zufrieden. Die Angststreifen sind weg, die Stiefelspitzen hatten sanft Bodenkontakt. Das Moped fährt sich spielerisch leicht, besonders im Vergleich zur ST 1100. Das Paket Fahrwerk + Elektronik vermittelt wirklich tiefes Vertrauen. Ich war heute auf nasser Fahrbahn unterwegs. Relativ flott. In Schräglage auch schon mal ne Schippe draufgelegt und auf ne Reaktion hinten gewartet. Nix. Und im Mäusekino hat auch nichts geblinkt. Da geht also noch einiges…..


    Was mir noch nicht gefällt, ist das mit dem Navi. Kann doch nicht sein, das ich einen Apfel kaufen muß. Weiter versuche ich, mein Headset mit dem Bock zu verbinden, aber da hakt es auch noch. Auch sind viele Möglichkeiten in der Software versteckt, die man kaum findet – intuitiv geht anders. Andererseits – fragt mich in einem Jahr nochmal. Dann beherrsche ich das wichtigste für mich. Und der Rest – da ist es wie bei einem wissenschaftlichen Taschenrechner: da gibt es auch mehr Funktionen, als man braucht und beherrscht. Und der Verbrauch. Aber ich hoffe, der sinkt mit der Zeit noch unter die 5 Liter.IMG_20200503_092831klien.jpg

    Hallo Honda: Nach dieser Dakar erwarte ich eine CRF 450 Rally Replika.....
    Es grüßt der Waldschrat

  • Hört sich gut an.. Viel Spass damit

    Grüße ausm Ruhrpott


    Micha


    wenn man rechts dreht wird die Landschaft schneller

  • Was mir noch nicht gefällt, ist das mit dem Navi. Kann doch nicht sein, das ich einen Apfel kaufen muß.

    Leider ist das momentan so, dass tatsächlich nur Apple Carplay mit der dazugehörigen rudimentären Navigation vorhanden ist. Man munkel über ein Software - Update irgendwann in 2020 mit dem auch Android Auto installiert werden soll. Sind u.a.offiziell Datenschutzbedenken die einige Fahrzeughersteller dazu bewegen so zu agieren.

    Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann vor allem das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.

  • Toller Bericht. Kann ich auch mit einigen Abstrichen unterschreiben, da ich ja eine 18er mit DCT fahre.

    Ja es gibt natürlich so einige unterschiede zu unserer betagten, aber guten 11er Pan. Aber man gewöhnt sich schon ziemlich schnell um.

    Und reine Tourenmaschinen sind ja eine aussterbende Rasse, wenn man mal GW und Co weglässt, bleibt ja nur noch die RT übrig.

    Da hat man auf dem Reiseenduromarkt viel mehr Auswahl und es kann jeder etwas finden.


    Gruß

    Mario

    Erfahrung der letzten Jahre:
    Fahre mehr als gedacht, aber weniger als gewollt.

  • Die modernen Reise-Enduros sind schon eine Klasse für sich. Technisch High-end, Fahreigenschaften sensationell, universell einsetzbar zum Brötchenholen und für die Tour nach Feuerland. Motorräder für Leute mit Köpfchen und Freude an sichtbarer und ausgefeilter Technik. Aaaaber: Die sind ja soooo häßlich! Jeder Radlader im Steinbruch ist ein Designerstück dagegen. Ist wie mit den frühen Dosen-Hybriden (Prius!) Saugut aber gruseliges Design. Losgetreten hat das wohl BMW mit den Ziegenböcken und Schnabeltieren. Seitdem denken alle Hersteller, ihre Böcke müssten aussehen, als hätten sie gerade einen Unfall erlitten. Gedärme im Freien, Koffer mit dem Cw-Wert einer Erfurter Schrankwand, ein Dickicht aus Röhren und eine Frontoptik wie eine gotische Kirche, das ganze noch in Müllabfuhr-Orange (KTM). Ihr merkt schon, ich bin ein Augenmensch. Bei Mädels wie bei Mopeds. Deshalb habe ich mir auch die "uralte" Pan ausgeguckt. Schöne Tourer gibt es sonst nur noch mit dem Vornamen Gold oder Harley. Beides für mich unerschwinglich. Die klobigen Weißblauen mit den dicken Fußrasten sehen auch aus, als habe man am Ende gedacht "ach ja, den Fahrer müssen wir ja auch noch irgendwo unterbringen".

    Honda würde mit einem Enkel der 11er als Every-Day-Tourer unterhalb des Elite-Segments Gold-Wing sicher viele Türen einrennen. Oder noch eine Klasse tiefer wie die sicher auch nicht unumstrittene Pacific-Coast, welche mein Moped geworden wäre, wenn die Ersatzteilversorgung und das Angebot nicht so dünn wären. Doch habe ich nun nach den ersten Wochen und den ersten 1000 Kilometern mein fettes Mädchen richtig lieben gelernt. Einige Pfunde zuviel auf den Hüften aber soooo schön!

    Aber egal. Ich wünsche allen hier, egal mit was für einem Moped ihr unterwegs seid, viel Spaß und Freude und eine Unfall- und Pannenfreie Fahrt, egal ob zum Eiscafé oder nach Archangelsk.

    Männer werden 12. Danach wachsen sie nur noch.


    iGude aus Hesse

  • Maigo, Klasse formuliertGOOGOO

    Gruss aus der Schweiz :lol:


    Egon




    Bei manchen Leuten ist selbst ein Gehirnschlag ein Schlag ins Leere.....


    Fahr nie schneller als Dein Schutzengel fliegen kann

  • Honda würde mit einem Enkel der 11er als Every-Day-Tourer unterhalb des Elite-Segments Gold-Wing sicher viele Türen einrennen. Oder noch eine Klasse tiefer wie die sicher auch nicht unumstrittene Pacific-Coast, welche mein Moped geworden wäre, wenn die Ersatzteilversorgung und das Angebot nicht so dünn wären.

    Nein das ist kein lohnendes Marktsegment mehr...


    Reiseenduros in 2019: 25.539

    Klassische Tourer in 2019: 3357 - und wenn man die Harleys rausrechnet bleiben am Ende 828 BMW R1250RT und wenn da jetzt noch die gewerblichen Zulassungen herausgerechnet werden sind es noch sage und schreibe 472 Tourer in Deutschland gewesen.


    Sowie Limousinen und Kombis bei den PKW durch SUV ersetzt werden, gibt es auch kaum noch den Käufer eines Tourers.


    Daher bleibt nur die Möglichkeit weniger auf die Motorräder zu schauen und dafür mehr nach den Mädels zu schauen.....

    Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann vor allem das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.

  • es gibt kaum noch klassische Tourer, wenn man keinen Propeller und keinen Exot will.

    Triumph Trophy = eingestellt

    Yamaha FJR = wird in 2021 eingestellt, da gibt es also auch nix Neues

    Suzuki = gibt es da überhaupt was?

    Kawa Z1000 Ninja = sind doch eher Rennsemmeln


    und weiter?


    Und ich finde, es gibt weitaus hässlichere Enduros als meine CRF, eher finde ich, sie hat ein richtig hübsches Gesicht. Gottseidank lässt sich über Geschmack trefflich streiten ;-)

    Die stylischen Koffer an der Pan finde ich auch hübscher als die praktischen Alukisten. Aber die waren von Anfang an dran und man kann sie abmachen.:lol:

    Hallo Honda: Nach dieser Dakar erwarte ich eine CRF 450 Rally Replika.....
    Es grüßt der Waldschrat

  • ...Die sind ja soooo häßlich! Jeder Radlader im Steinbruch ist ein Designerstück dagegen. ... Losgetreten hat das wohl BMW mit den Ziegenböcken und Schnabeltieren. ... ihre Böcke müssten aussehen, als hätten sie gerade einen Unfall erlitten. Gedärme im Freien, Koffer mit dem Cw-Wert einer Erfurter Schrankwand, ein Dickicht aus Röhren und eine Frontoptik wie eine gotische Kirche, das ganze noch in Müllabfuhr-Orange (KTM). ...

    YOU MADE MY DAY !!!


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    Danke, hast völlig recht!

    Lieber Kurven ohne Ende, als eine Ende ohne Kurven😇

  • und die Mädels für hinten drauf werden auch immer weniger, die wollen lieber selber fahren, auch deshalb haben große Tourer keine Zukunft mehr.