Ungeplanter Mopedausflug
Ich muss hier mal was aufschreiben, sonst geht es vergessen. Und dazu ist die Geschichte zu schade. In jedem Fall ist die Geschichte wahr und so passiert.
Damals, Ende der Achtziger Jahre – da war ich so 20-21 Jahre alt und hatte eine Kawa GPZ 900 R.
Eines Morgens bin ich das Moped tanken gefahren; eigentlich hatte ich nicht vor, einen Mopedausflug zu machen. Weshalb ich in Jeans und T-Shirt gefahren bin. Es war Herbst und überraschend warm.
Nachdem der Tank voll war, wollte ich wieder heim. Aber diese langen Geraden zwischen den Dörfern hier, die mussten ja nicht sein. So beschloss ich, eine kleine Runde über den Vogelsberg zu fahren. Der Vogelsberg war zu schnell überwunden, na, denke ich mir – nimm eben noch die Rhön mit.
Hinter Fulda war die Grenze zur DDR ausgeschildert. Mir fiel ein, das am Vorabend in den Nachrichten gesagt wurde, ab heute könne man als Westdeutscher ohne Kontrolle in die DDR einreisen. „Da fährste mal gugge“ denke ich mir. Immerhin endete damals unsere Welt dort am Zaun ziemlich abrupt.
Also bin ich den Grenzschildern gefolgt und bin bei Tann irgendwo an einen kleinen Übergang gekommen. Eine Spur rein, eine raus – links und rechts versetzte Zollhäuschen. Die Schranke war offen, die Spannung stieg. Ganz langsam rolle ich an die Grenze. Kein Grenzer zu sehen. Weder West wie Ost. Ich bin nicht sicher, ich glaube mich zu erinnern, das im Osten Grenzer gelangweilt aus dem Fenster geguckt hatten.
Na dann, Hahn auf und rüber! 100 m hinter dem Grenzübergang lernte ich ganz schnell, das die Gerüchte über schlechte DDR Strassen nicht übertrieben waren. Löcher wie Spülbecken – so schlecht war daheim kein Waldweg.
Nach wenigen Kilometern war ich in der ersten Ortschaft. Da wurde die Strasse besser. Ein Geruch von Kohlefeuerung und Zweitaktmix lag in der Luft. Kopfsteinpflaster, bröckelnde Fassaden. Braun- und Graufarben dominierten irgendwie. Das ganze wirkte wie die Kulisse aus einem Heimatfilm aus den 1950ern. Dazwischen knatterten Schwalben und Trabbis rum.
Kurvenreich und ländlich ging es weiter. Nicht alle Strassenabschnitte waren schlecht, aber doch viele. Schrebergärten links und rechts, später riesige Felder, ab und zu ein dunkles Industriegebäude dazwischen. Da ich mich nicht auskannte, folgte ich den Schildern nach Eisenach und lernte den Sinn des grünen Pfeiles kennen.
In Eisenach angekommen parkte ich auf einem großen, gepflastertem Platz im Stadtzentrum, klemmte den Helm an den Lenker und machte eine Stadtbesichtigung. Viel Sehenswertes ist mir nicht in Erinnerung geblieben. Auf Touris war man wohl noch nicht eingestellt. Der Schaufensterinhalt war überschaubar. Immerhin, eine Wurstbude auf einem anderen Platz mit langer Schlange davor. Das 50er Jahre Flair ist mir auch hier in Erinnerung geblieben.
So ging ich zurück zu dem großen gepflastertem Platz, wo mein Moped stand. Ich wollte weiter. Leider waren auf diesem Platz vielleicht 30 Vopos. Ich beobachte die Herren bei der Arbeit und es fiel mir auf, das sie Personen- und Fahrzeugkontrollen machen, aber nur bei West – Fahrzeugen.
Das war der Moment, wo ich merkte, dass ich vielleicht 50 DM einstecken habe, aber keine Papiere. Ich Depp wollte ja nur tanken. So mache ich eine zweite Stadtrunde. Leider wollten die Vopos keinen Feierabend machen.
Langsam bekam ich Hunger. Da war ja diese Wurstbude. Aber ich habe ja keine passende Währung dabei. Die wollten 1,50 DM Ost für die Wurst haben. Zögerlich habe ich mit 1,50 DM West gezahlt. Die erfreute Miene der Wurstverkäuferin verriet mir, das alles ok zu sein schien.
So langsam wurde es Abend und ich war nur im T-Shirt. Es würde bestimmt bald frisch werden, irgendwas musste passieren und die Vopos standen immer noch da rum. Entweder die Jungs lassen mich fahren oder ich komme in einen Raum mit Bett, so oder so. Ich ging zum Moped und will den Helm aufziehen. Schon kam ein Vopo auf mich zugerannt. Mir rutschte das Herz in die Hose….
„Ist das ne Vierzylinder?“ fragte er mich sichtlich begeistert. Ich bejahte. Er: „wie nen LKW! Wieviel Gänge hat die?“ Ich „sechs“ Er nochmals: „Wie nen LKW! Willste raus?“ und zeigte auf den fliessenden Verkehr. Ich „ja“. Er springt auf die Fahrbahn und sperrt alles für mich ab. Ich muss doch erst den Helm aufsetzen und dann das Startprozedere… Egal, alles stand still und ich bin aus meiner Parklücke rausgezogen. Ich fühlte mich wie Superman und machte brumm, brumm. Alle Blicke richteten sich auf mich.
Von der Heimfahrt habe ich noch eine Erinnerung – der wohl ungewöhnliche Sound der GPZ lockte die Leute aus Ihren Gärten an den Zaun. Viele Menschen winkten mir zu. Ein freundliches Volk, diese Thüringer. Und alles war am grillen….
Im Nachhinein betrachtet war es der allererste Tag, wo ein Wessi mit Motorrad sich im Osten ausserhalb der Transitstrecken bewegen durfte. Und ich war wohl mit der Erste, der mit einem damals modernen Japaner in die DDR eingereist ist. Deshalb wohl auch das Aufsehen….