Der Motorradfahrer - eine Lichtgestalt

  • Was ist, wenn das Tagesfahrlicht für alle kommt? Das Bundesverkehrsministerium läßt da was Spezielles für Motorradfahrer entwickeln


    Kennen Sie das? Taucht bei hellichtem Tag ein Auto auf mit Licht. Aus Erfahrung wissen Sie sofort: Kann nur ein Italiener sein, ein Schwede, allenfalls ein Schweizer. Der Italiener liebt verbreitet seine Nebelleuchten. Beim Schweden brennt Dauerlicht, weil gesetzlich vorgeschrieben, und der Schweizer hat noch nicht mitgekriegt, daß der Tunnel zu Ende ist.


    Neuerdings kann die Leuchte aber auch einem braven Deutschen gehören. Seit ein paar Wochen empfiehlt der Bundesverkehrsminister offiziell: "Licht? Immer!"


    Mehr als ein Viertel der deutschen Autofahrer hält sich schon daran. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO senkt das Tagfahrlicht die Zahl der Unfälle um 10 bis 15 Prozent. Die Sache scheint sonnenklar - wenn da nicht die Motorradfahrer wären.


    Kurioserweise sind es ausgerechnet die Automobilclubs, die sich um deren Sicherheit sorgen: Wenn alle leuchten, könnten sie weniger auffällig sein. Seit mehr als zwanzig Jahren gilt auch tagsüber Lichtpflicht für alle Motorräder in Deutschland. Die Dauerschaltung ab Werk wurde in ganz Europa 2003 eingeführt.


    Motorradfahrer als herausragende Lichtgestalten im großen, trüben Massenverkehrsstrom - dieser exklusive Sicherheitsgewinn ist auch dem Bundesverkehrsministerium nicht entgangen. Es schlägt deshalb vor, bei Lichtpflicht für alle sollten die Motorräder doch ihr "Signalbild" ändern. Aber wie? Das findet nun, im Auftrag des Ministeriums, die Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach heraus.


    Ideen dazu gäbe es bereits, sagt eine Sprecherin. Bis Mitte nächsten Jahres wollten die Ingenieure fertig sein mit Studien und Fahrtests, "im Moment suchen sie noch nach den geeigneten Testmaschinen". Das endgültige Ergebnis sei Ende 2006 zu erwarten.


    Die Ingenieure "experimentieren mit der Beleuchtung", heißt es weiter, von pulsierend bis farblich abgesetzt. Eben anders als beim Auto.


    "Gelb wäre eine Möglichkeit", findet auch ein ADAC-Sprecher, "Wie früher bei den französischen Autoscheinwerfern."


    Motorräder und Roller müßten sich auch künftig von den Autos absetzen, heißt es ebenfalls im Essener Institut für Zweiradsicherheit (IFZ). Und der Industrieverband Motorrad (IVM) tritt für mehr Forschung ein, die speziell die deutschen Verkehrsverhältnisse berücksichtige. Denn in Schweden gilt schon seit knapp dreißig Jahren Lichtpflicht für alle. Davon profitierten auch die Motorradfahrer: Nach der Einführung 1977 hatte die Zahl der Unfälle zwischen Autos und Motorrädern innerhalb von vier Jahren um mehr als ein Fünftel abgenommen.


    Sind die schwedischen Erfahrungen repräsentativ? Eher nicht, findet der Industrieverband Motorrad. Licht- und Witterungsverhältnisse seien völlig verschieden. "Außerdem ist die Anzahl der Motorradfahrer in Schweden ja mikroskopisch", sagt IVM-Chef Reiner Brendicke.


    Andererseits ergibt die Hochrechnung aus dänischen, slowenischen, deutschen und anderen Zahlen, was die Lichtpflicht für die gesamte EU bedeuten würde: 5500 Tote, 155 000 Verletzte und 1,9 Millionen Verkehrsunfälle weniger. Und rund eine Milliarde Euro weniger Versicherungsschaden in Deutschland.


    Der ADAC dagegen warnt vor 630 Millionen Euro Spritkosten für die Autofahrer. Schließlich verbraucht Abblendlicht Energie: rund 180 Watt, was 0,1 bis 0,2 Liter mehr auf 100 Kilometer bedeute - bis zu vier Prozent. Was wiederum die Zulieferer der Autoindustrie entkräften: die haben energiesparende Tagfahrleuchten mit einem minimalen Verbrauch entwickelt, zwischen 6 und 16 Watt. Sie sind schwächer als Abblendlicht und lassen sich nachrüsten. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat prüft gerade, ob es rechtlich vertretbar ist, die Tagfahrleuchten auch für Motorräder zuzulassen.
    Kommt die Lichtpflicht für alle in Deutschland? Sie kommt, eigentlich ist sie schon da. Seit 1. Oktober erst mal in Form einer unverbindlichen "Empfehlung" des Bundesverkehrsministeriums.



    Vermutlich ist die Frage zurecht umstritten, ob es tatsächlich so ist, daß sich die Sicherheit von Motorradfahrern mindert, wenn nur noch Erleuchtete auf die Straße dürfen. Aber eine große Rolle spielt dieser Motorradfahrer-Streit sowieso nicht mehr - angesichts der erwarteten Gesamt-Unfallstatistik nach Einführung der Lichtpflicht. In Österreich sind sie deswegen schon schneidig vorgeprescht. Da gibt's für unterbelichtete Autofahrer jetzt richtig Ärger mit der Polizei. Seit wann? Seit letzten Dienstag.