Nordlandreise mit Wohnwagen 2017

  • Früh mache ich mich auf die letzten 100 km nach Stockholm, fahre am Campingplatz am Stadtrand vorbei und folge dem Navi mitten durch die komplett verbaustellte Innenstadt.
    Die zentralste aller Brücken Gamla Stan - Slussen ist abgerissen und das Navi schickt mich in der falschen Fahrtrichtung in eine Straße, wo nur noch Tramschienen hoch aus dem Beton ragen.


    Nach viel Rumgestöpsel bin ich endlich an der Adresse, wo neben dem Stadion der zentrale Campingplatz liegen soll. Den gibt es aber nicht mehr, erklärt mir ein Restaurantbesitzer.
    Auf dem Rückweg lande ich wieder in der Tramstrasse, diesmal richtig herum, und zwei Cops auf Rollern zeigen mir einen Weg um den Baustellengraben, über den nur noch Schienen führen.


    Ich stell den Wohnwagen auf das Camp Bredäng, an dem ich drei Stunden vorher schon vorbeigefahren bin und nach einer Dusche unterhalte ich mich mit einer Wohnmobilfahrerin aus Peking,
    die mit zwei WoMos auf dem Landweg nach Europa gekommen sind und nach Griechenland, den Alpen, Frankreich, Irland und Schottland noch bis zum Nordkap wollen. Dann zurück nach China. Fünf Monate.



    Stefan, ein junger deutscher Mopedanfänger aus Leipzig baut neben mir sein Zelt auf, es ist seine erste Campingreise. Ich fahre mit der Dicken wieder in die City. Jetzt kenn ich mich besser aus.
    Nach dem Besuch eines Ladens mit alter Schiffsausrüstung auf Skeppsholm, den ich aus mareTV kenne, suche ich mir einen gratis Motorradparkplatz am Nybrokajen, direkt am zentralen Schärenschiffskai.


    Zu Fuß ziehe ich meine Kreise mit leichtem Gepäck bei allerbestem Wetter über die zentralen Inseln von Stockholm und lerne bei einem Straßenmusiker ein Instrument namens Chapman Stick kennen.
    Ich fahre auf die Insel Södermalm, wo übermorgen meine Fähre nach Finnland abfährt und erlebe den Sonnenuntergang zuerst am Hochufer und dann auf der hohen Aussichtsplattform Katarinahissen.


    Zurück zum Camp komm ich jetzt schon fast ohne Navi und nach immerhin 249 km heute laufe ich noch runter zum Mälarsee, der nur 300 Meter hinter dem Campingplatz liegt.
    Auf dem Rückweg durch den Wald weidet ein Reh nur zehn Meter vom Weg entfernt und lässt sich von mir und meiner Kamera auch nicht dabei stören.

  • Zum Frystyk gibt es Croissants und Espresso in der Sonne zusammen mit einem GS-Fahrer aus Verden, der sich acht Wochen Zeit nimmt für seine Nordlandreise und um zehn fahr ich wieder in die Stadt.
    Ich finde Wohnschiffe am Mälarsee und einen Bootsclub mit hunderten schöner alter Holzboote. Die erwarteten vielen Amischlitten gibt es aber nicht. Nur drei alte Buicks und blaugelbe Dirndl-Girls.


    Um drei check ich am Camp aus mit dem Hänger und fahre damit so weit wie möglich nach Osten hinaus in die Schären. Aber ich finde keine Mitsommarsfeste. Nur volle Parkplätze an allen Fähranlegern.
    Die Schweden feiern wohl im privaten Kreis mit Freunden. Nach einer großen Runde bin ich wieder zurück in der Stadt und treffe dort zufällig das GS-Fahrerpaar wieder vom Campingplatz in Kopenhagen.


    Alle Läden und fast alle Restaurants schliessen wie bei uns am Heiligabend. 15 Grad kalter Wind kommt auf und ich esse meine Köttbullar, nach 244 km heute, wieder am Aussichtspark über dem Fährhafen.
    Abschließend investier ich meine letzten 40 Schwedenkronen in Espresso bei seveneleven und fahr in den ersten Regentropfen auf den Fähranleger und unterhalte mich dort noch lang mit dem Finnen Jussi.
    Über seinen zweiten selbst ausgebauten Vito, in dem er am Kai mit seiner spanischen Frau samt Tochter übernachtet. Sie leben in Freiburg und fahren morgen zur Familie nach Finnland in die Sommerferien.


    495 km bin ich immerhin in und rund um Stockholm gefahren Die Bilder dieser zwei Tage findet Ihr wieder HIER in voller Größe:
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  • Am Samstag morgen hab ich kalte und feuchte Füße. Es hat die ganze Nacht geregnet nach einer Woche Sonne pur und an der Türklappe tropft Wasser auf Schlafsack und Matratze.
    Ich fahr um 6:15 h als Erster auf meine dritte Fähre und such mir einen schönen Sofaplatz in Fahrtrichtung links. Es pisst ohne Unterlass, aber ich hab ein gutes Buch (Snow Crash) und vier mal Kaffee gibts auch.


    Drei Stunden braucht das Fährschiff durch den Schärengarten, bevor es das offene Meer erreicht und am frühen Nachmittag kommen die finnischen Åland-Inseln in Sicht.
    Das Schiff ist voller Schweden, die sich den Bauch am AllYouCanEat-Frystyks-Buffet für 20 Euro vollschlagen und auf Åland auf das Gegenkursschiff wechseln, zum Abendessenbuffet zu 28 Euro. Börps!


    Zwei Sami-Frauen in Reifröcken mit eineinhalb Metern Durchmesser, wie im Barock, wogen durch das Schiff. Ich frag mich, in was für ein Auto die wohl passen und werde vom Wechsel der Zeitzone überrascht.
    Es pisst immer noch in Strömen und ich werf mich in mein Regenzeug, während die Autos das obere Deck schon räumen. Der Schlafsack ist nach 10 Stunden auf der Leine noch genauso naß, wie heute morgen.


    Vor der Ausfahrt aus dem Hafen in Turku kreuzt vor mir im strömenden Regen eine zehnköpfige langhaarige Rockergang in Kutten die Straße. Auf zehn Bonanzarädern! Es ist Juhannusabend. Willkommen in Finnland!


    Ca. 200 km sind es noch bis zum Campingplatz in Helsinki, der Stellplatz kostet 24 Euro. Aber es gibt dort auch ein Bett im 12er-Schlafsaal für 23 Euro inkl. trockener Bettwäsche und warmer Dusche :-)
    Ich hab den Musiksaal ganz für mich alleine. Und dazu ein Sofa in der Aula. Schlafsack und Matratze trocknen über Nacht. Nur die Klos sind sehr niedrig. Außerhalb der Ferien ist das eine Grundschule.


    Mehr Bilder der Tage 9, 10 und 11 HIER.
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  • Toller Bericht mit ebenso eindrucksvollen Bildern. Liest sich wie ein Krimi und ich warte bist du am Nordkapp warst und die Küste runter gefahren bist. Da gabs doch technische Probleme.

  • Genial !


    Du fährst aber anscheinend selbst mit Airstream mehr als 120, oder hast Du die Fliegen auf dem Windscreen mit der Klatsche erlegt? :)

  • Die Moskitos im Norden sind fett und träge, die können selbst bei Tempomat 80 nicht schnell genug ausweichen. Danke für das schöne Feedback Männer :)

  • ich fürchte sonst nichts, aber Mücken schon !!!
    Falls Du testest, bitte um Ansage der besten Moskito-Waffe, Nobite, Antibrumm oder Autan?


    Weiter gute Fahrt und gesunde Rückkehr !!!

  • Am Sonntagmorgen scheint die Sonne und ich fahre in die Stadt. Aber Helsinki reißt mich nicht vom Hocker. Am Hafen versuch ich erfolglos, Frystyk zu bekommen. Aber alles ist geschlossen wegen Juhannus.
    Ich überhole einen Traktor mit französischem Kennzeichen, mit Dachzelt auf der Kabine und einer Pick-Up-Absetzkabine auf der Ackerschiene, der das Ende einfach mit zwei Kullern abgestützt hat.
    Nach zwei Stunden cruisen durch die Jugendstil-Stadt hol ich mir Croissants bei Lidl, der am Sonntag geöffnet hat und mach mich auf den Weg nach Norden. 1.400 km in zwei Tagen hab ich mir vorgenommen.


    Mir entgegen wälzt sich ein 250 km langer Stau. Der verkehrsreichste Tag des Jahres. Alle fahren aus ihren Sommerhäuschen zurück in die Stadt. Aber sehr gelassen und ohne Drängelei.
    Auffällig viele alte Corollas sind auf den Straßen und der gemeine Finne zieht bevorzugt einen sehr langen Hänger mit GFK-Haube, wo auch das Schneemobil drunter passt.
    Ich nutze das trockene Wetter und dichte das Dachfenster und die Türklappe von oben mit Tesaband ab. Jetzt dürfte von aussen nix mehr reintropfen. Zwischendurch fällt mein Navi mal grundlos aus.


    Mittags endet die Autobahn und der Verkehr lässt nach. Die Landschaft wird flacher, die Seen häufiger und ich komme gut voran. Bis Sonnenuntergang bleibt das Wetter schön, dann beginnt es zu nieseln.
    Ich tanke und wärme mich bei einem Haferl Kaffee in einem Supermarktrestaurant. Auch Sonntags sind die Läden bis 22 Uhr offen. Ich kauf mir Expander und noch eine Plane für über den Hänger.


    Spät am Abend komme ich noch beim stillen Volk vorbei, das rechts von mir in einer Torfwiese steht und schweigt.


    Auf der Weiterfahrt verzichte ich auf die wasserdichte Regenjacke und fahre obenrum nur mit Goretex weiter. Erstmal bleib ich trocken, bis ich um 11 auf einem Parkplatz nach 760 km zum Schlafen halte.
    Ich zieh die Jacke aus und leg mich in meinen trockenen Sommerschlafsack. Die Jacke kommt in die "Hängematte" für mein Gepäck über meinen Füssen. Um drei wach ich wieder mit kalten Füssen auf.
    Der Hänger ist zwar jetzt dicht, aber die nasse Jacke hat durch die Schwerkraft ihren Wassergehalt außerhalb der Membran an meinen Schlafsack und die Matratze übergeben. Ganz toll!!!

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  • Es nieselt nicht mehr am Montag, aber es ist 5 Grad kalt und bedeckt. Ich spann die nasse Jacke aufs Topcase und fahre mit Softshelljacke und Regenhaut. Die Sonne kommt auch immer wieder mal raus.
    Trotzdem wären jetzt Heizgriffe schön. Das hab ich nicht mehr geschafft vor dem Urlaub.


    Mittags am Polarkreis lädt mich ein Regensburger Radlfahrer spontan zu Kaffee und Kuchen an der Tanke ein.
    Alois Weger (aloisweger.com) ist in 90 Tagen von Südspanien zum Nordkap geradelt und jetzt unterwegs auf dem Weg nach Griechenland. Es gibt offensichtlich noch verrücktere als mich.


    Je nördlicher ich komme, desto praktischer werden die Finnen. Vor jedem Haus steht ein Schneemobil, ein Hänger und ein alter Toyota Corolla oder Hi Ace neben den riesigen Brennholzstapeln.
    Und das Boot ist häufig die teuerste Mobilie im Fuhrpark. Das Land wird sehr nass. Was zwischen den Seen aussieht, wie Wiesen, erweist sich als Wasserfläche mit Halmen und Bäumen drin.


    Die ersten Rentiere tauchen auf und ich sehe auch drei Elche, zwei Füchse und einen Seeadler. Der Himmel zieht weiter zu und es beginnt zu nieseln. Gegen Mitternacht erreiche ich Norwegen.
    Und es ist immer noch hell, als ich im eisigen Wind um halb zwei in der "Nacht" in Kirkenes am Hafen-Parkplatz der Hurtigrute nach 722 Kilometern in meinen feuchten Schlafsack krieche.

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  • Und wenn Du bist Nachts um halb zwei fährst, haste auch kein Bock mehr zu Schreiben. :mrgreen:

    Grüße ausm Ruhrpott


    Micha


    wenn man rechts dreht wird die Landschaft schneller