Sicherheit vs Lebensgefühl

  • Dass die mahnenden Zeigefinger sofort aus dem Gebüsch springen, war vorhersehbar. Morgen orientieren wir uns an den alpinistischen Freikletterern ohne Seil und Sicherungshaken, übermorgen an den Oldtimerfahrern ohne ABS ESP, Tags darauf wird sich auch wieder was finden, was den Konformisten geeignet erscheint, den Lehrer rauszukehren ;-).


    Ich bin vielleicht ein unbelehbarer Zeitgenosse, der sich trotz haufenweise beruflich bearbeiteter schwerer Verkehrsunfälle zeitweise immer noch wider jeder Sicherheitsvorgabe im leichten Zwirn kurzfristig auf´s Moped setzt :mrgreen:.

  • Ich denk dann immer "Wenn ihr wüßtet, wie Haut aussieht, die mal ein paar Meter über den Asphalt geschliddert ist,


    Ende der 90´er "durfte" ich als Fußgänger unmittelbar miterleben, wie ein luftiges, weißes Sommerkleidchen einer jungen Frau binnen Sekunden im Brust- Bauch- und Beinbereich rot gefärbt wurde.:shock:
    Sie befuhr im Kleid und Ballerinas, zwar mit Helm, aber das war`s dann auch schon, die Straße mit ihrer Vespa, als ein Pkw unvermittelt rückwärts aus einer Parklücke fahrend ihr die Vorfahrt nahm, sie vor Schreck in den Gegenverkehr fuhr, stürzte und mit Brust, Bauch und Beine mind. 8 -10 m auf der Straßendecke lang rutschte.
    An Kinn, Armen, Dekolleté, Bauch, Beinen und Füßen wurde großflächig die "Tapete" abgeschält.
    Es war kein schöner Anblick und alle Leute die das miterlebt haben standen unter Schock. Ebenso wohl die junge Frau, die so ihre Schmerzen in diesen Minuten wahrscheinlich gar nicht richtig empfunden hat.
    Später bei der Gerichtsverhandlung, zu der ich als Zeuge geladen war, wurde ihr vom RA des Verursachers und auch vom Richter Vorhaltungen ob ihrer unpassenden Kleidung gemacht und tatsächlich ist auch das später verhängte Schmerzensgeld geringer als beantragt ausgefallen.

    Ich gebrauche keinen Mittelfinger, ich kann das mit den Augen! ;)

  • Ich habe mal 5 Jahre in der Unfallnachbehandlung der Uniklinik gearbeitet.in dieser Zeit habe ich viel verunfallte Motorradfahrer gesehen. Hautabschürfungen waren noch das harmloseste , schlimmer waren die abgeschliffenen Knöchel ,Fersenbeine , oberschenkelknochen etc. deshalb fahre ich nur mit Lederhose und Stiefel auch wenns mal unangenehm warm ist. Von Warnwesten halte ich auch nichts führe aber immer mit. Fazit: jeder sollte für sich entscheiden mit welchen Klamotten er unterwegs ist.

  • ...vllt gibt es auch einen Mittelweg, das Freiheitsgefühl stellt sich bei mir auch in normalen Motorradklamotten ein, Visier offen, der Sonne entgegen, im Sommer auch mal Jethelm und wenn´s ganz heiß ist auch mal Jeans und T-shirt, dann eher auf Feldwegen zum Baggersee und nicht um die Kurven "wedeln"...;-)

  • Es sollte klar sein, dass es (wie so oft) auch bei dem Versuch, Risiken durch Schutzkleidung zu minimieren, kein "Richtig" oder "Falsch" gibt sondern nur ein "wie hoch bewerte ich dieses" (z.B. mein Freiheitsgefühl) oder "jenes" (z.B. meine Angst davor, verletzt zu werden).


    Wenn wir uns gegenseitig also erzählen: "Ich mach das so, weil ..." dann ist es immer ein: "Ich bewerte dieses oder jenes so, weil ....."


    Und das find ich im Prinzip in Ordnung - was ich wichtiger dabei finde, das ist, dass man sich bewusst ist, was man tut. Aus völligem Mangel an Kenntnis dessen, was bei einem Sturz passiert mit kurzen Hosen Motorrad zu fahren find ich nicht gut, es zu tun und sich des Risikos bewusst zu sein (wodurch man dann natürlich auch deutlich konzentrierter und defensiver fährt), finde ich weitaus eher akzeptabel.


    Solange wir also das, was wir tun, möglichst bewusst tun, ist es für mich in Ordnung.


    Gruß


    Michael

  • Wenn ich den ganzen Tag fahre, dann hab ich auch ne Kevlarjeans mit Protektoren, Sicherheitsschuhe und meine weißblaue Jacke mit Protektoren an.


    Aber Feierabends für ne Stunde, oder wenn ich nur ins Kino fahr, tut es auch das Easyrider-Outfit.


    Ich bin mir des Risikos bewußt, und versuche, das mit risikoarmer Fahrweise auszugleichen.

  • Seit meinem Unfall im März ist mir - auch nach 40 Jahren aktivem Motorradfahren - völlig klar, dass es (für mich) bekleidungsmässig keine Kompromisse gibt. Ob bei -5 oder +35 Grad, die komplette Kleidung wird getragen. Wäre ich in Jeans und T-Shirt gefahren, würde ich heute vermutlich hier nicht mehr schreiben...
    Aber eben, jeder wie er/sie es mag, der Konsequenzen muss sich jede/r selbst bewusst sein. Ich will hier keinen Finger heben.

  • Was gar nicht gern gehört wird, sind die Solidarkosten , die z.B. KKasse und gegebenenfalls die Gemeinschaft für die ich nenns mal provokant "Leichtsinnigen" aufbringen muss.
    Das ist zwar schwer bis kaum wie bei Rauchern oder was weiß ich für süchtigen händelbar, aber defacto ist es so: auch andere bezahlen für diese Freiheiten.


    Ich wollts nur mal erwähnt haben, es geht nicht nur um die eigenen Tapete, sondern eben auch um zumindest den Geldbeutel der anderen.
    Bei der Helmpflicht im Motorradbereich meckert kaum einer, beim Fahrrad ist schon der Teufel los.:shock:-%-0))((0

  • Solidarkosten zahle ich auch.


    Für Hobbyfußballer, Freikletterer, Reiter oder Rennradfahrer in kurzen Hosen auf nicht verkehrssicheren Rädern.
    Genauso für Alkohol genießende Mitbürger und die Kerle mit 125 kg auf den Rippen.


    Gerade das ist der Sinn einer Solidargemeinschaft, dass alle für die individuellen Risiken aller zusammen geradestehen.

  • Wer auf's Motorrad steigt, tut dies i.d.R. weil er freier fährt als im Auto.


    Tommy liegt doch also mit seinem System-Mix genau richtig, so wenig wie möglich, aber so viel als nötig.
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    Apropos Sicherheit, was passiert eigentlich wenn ich mit Airbag-Jacke ein Schlagloch übersehe, voll hinein krache und das Teil löst aus?
    Sitze ich dann als aufgepumpte Leberwurst auf dem Bike, kann mich nicht mehr bewegen und die Arme stehen wie bei einer Vogelscheuche seitlich ab bis ich gegen den nächsten Baum krache?

  • Du hast so recht, in Italien, Spanien, Griechenland usw klappt das.......
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    Ich hab leider keine direkte Anzahl von verunfallten Rollerfahrern in diesen Ländern gefunden..... aber vielleicht ein paar Zahlen zum Überdenken des gesagten:


    Griechenland 12,2 Verkehrstote je 100.000 Einwohner (2011)
    (USA 11,4 Verkehrstote je 100.000 Einwohner 2011)
    Kroatien 10,4 Verkehrstote je 100.000 Einwohner (2011)
    Italien 7,2 Verkehrstote je 100.000 Einwohner (2011)
    Österreich 6,6 Verkehrstote je 100.000 Einwohner (2011)
    Frankreich 6,4 Verkehrstote je 100.000 Einwohner (2011)
    Spanien 5,4 Verkehrstote je 100.000 Einwohner (2011)
    Deutschland 4,7 Verkehrstote je 100.000 Einwohner (2011)
    San Marino 0,0 Verkehrstote je 100.000 Einwohner (2011)


    In den genannten südlichen Ländern klappt das wohl doch nicht so gut....

    Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann vor allem das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.

  • Das sagt mir aber immer noch nicht, wie hoch der Anteil der getöteten Rollerfahrer im jeweiligen Land ist;-) Zudem müsste dann auch noch das Verhältnis der zugelassenen Fahrzeuge mit einbezogen werden.